Im Rahmen eines gemeinsamen Projekts von IPA und IFA wurden auf Initiative der Berufsgenossenschaft Holz und Metall sowie der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft die Auswirkungen von Bildschirmarbeit im Büro und im Homeoffice auf die körperliche Gesundheit untersucht. Mehr als 1.000 Beschäftigte beteiligten sich an der Online-Umfrage.
Der Anteil mobiler Arbeit, insbesondere das Arbeiten im Homeoffice, hat seit der SARS-CoV-2-Pandemie und der zunehmenden Verbreitung neuer Arbeitsformen deutlich zugenommen. Studien aus der Zeit vor der Pandemie betonten sowohl positive Aspekte des Homeoffice – wie eine bessere Work-Life-Balance, gesteigerte Flexibilität und mehr Autonomie, zeigten aber auch negative Aspekte auf. Hierzu zählen eine Verwischung der Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit, soziale Isolation, eine fehlende Unterstützung durch Kolleginnen, Kollegen oder Vorgesetzte, aber auch eine inadäquate Ausstattung des Arbeitsplatzes im Homeoffice. Insbesondere der pandemiebedingt häufig abrupt vollzogene Wechsel von der Büroarbeit ins Homeoffice führte oftmals zu Homeoffice-Arbeitsplätzen, die nicht immer den optimalen ergonomischen Standards entsprachen. Hierzu zählen unter anderem ein höhenverstellbarer Bürostuhl und Schreibtisch, eine externe Tastatur und Maus sowie qualitativ hochwertige Bildschirme. Bevorzugt sollte ein separater Bildschirm genutzt werden, wobei die ergonomische Positionierung der Arbeitsmittel auf dem Schreibtisch zu beachten ist (DGUV Information 215-410; IAG CHECK-UP Homeoffice).
Im Zuge der Pandemie wurden die Auswirkungen zunehmender mobiler Arbeit auf die körperliche und geistige Gesundheit sowie auf die Produktivität in verschiedenen Studien untersucht. Trotz teilweiser widersprüchlicher Ergebnisse zeigten sich analoge Trends, wie etwa eine Zunahme von Muskel-Skelett-Beschwerden bei Beschäftigten mit mobiler Arbeit (Hong et al. 2024). Ungünstige ergonomische Bedingungen können bereits nach kurzer Arbeitszeit zu Beschwerden führen, die sich bei längerer Dauer verstärken (Wechsler et al. 2024). Zur Einschätzung der Situation in deutschen Unternehmen und den Auswirkungen der Arbeitsbedingungen bei mobiler Tätigkeit auf Muskel-Skelett-Beschwerden wurde eine entsprechende Untersuchung durch das IPA und IFA von der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) und der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) initiiert. Der Fokus der Untersuchung lag auf der Erfassung subjektiver Muskel-Skelett-Beschwerden in den Bereichen Schulter, Nacken, obere Extremitäten sowie des thorakalen und lumbalen Rückens.
Zwischen September 2023 und April 2024 wurden Beschäftigte mit Bildschirmarbeitsplatz von der BGHM, VBG, der DGUV sowie weiteren Unfallversicherungsträgern (Unfallkasse Hessen, Unfallversicherung Bund und Bahn, Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik) zur Teilnahme an der Online-Umfrage eingeladen. Die Erstellung des Onlinefragebogens wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) durchgeführt.
Die Analyse umfasst Daten von 1.064 Beschäftigten im Alter von 20 bis 64 Jahren, die mindestens vier Stunden täglich an einem Bildschirm arbeiten. Etwas mehr Männer als Frauen nahmen teil, und mehr als die Hälfte der Befragten hatte einen Universitätsabschluss. Insgesamt gaben 968 Teilnehmende an, jemals mobil gearbeitet zu haben, was zum Zeitpunkt der Erhebung mit 87 Prozent deutlich höher war als noch vor der Pandemie (39%). Die Personen arbeiteten im Median 18 Wochenstunden mobil. Vor der Pandemie waren es zehn Wochenstunden. Insgesamt 96 Beschäftigte, dies entspricht neun Prozent, arbeiteten zu keiner Zeit mobil.
Selbstangaben zur Ausstattung des mobilen Arbeitsplatzes (Sitzgelegenheit, Tisch, Bildschirm, Tastatur und Maus) wurden in einem Ergonomie-Score zusammengefasst. Demnach hatte die Mehrheit der Befragten zum Erhebungszeitpunkt einen guten oder sogar optimal ausgestatten Ort für ihre mobile Tätigkeit (Abbildung 1). 69 Prozent der Homeoffice-Beschäftigten berichtete von einer optimalen Sitzgelegenheit, was einen korrekt eingestellten höhenverstellbaren Bürostuhl umfasst.
Zudem verwendeten 76% einen externen Bildschirm und 78% eine externe Tastatur und/oder Maus. Etwa die Hälfte der Homeoffice-Arbeitenden verbesserte ihre Ausstattung während der Pandemie.
Tabelle 1: Verleich der Prävalenzen der Muskel-Skelett-Beschwerden vor und nach der SARS-CoV-2-Pandemie
Unterer Rücken | Oberer Rücken | Nacken | Schultern | Unterarm, Ellenbogen | Handgelenk | |
Vor der Pandemie | 49,1% | 24,6% | 40,4% | 27,1% | 6,9% | 12,1% |
Zum Befragungszeitpunkt | 42,4% | 24,2% | 40,4% | 28,6% | 8,4% | 12,5% |
Die Muskel-Skelett-Beschwerden in den Bereichen Schulter, Nacken, obere Extremitäten sowie im Rücken wurden als Schmerzen mit dem Brief Pain Inventory (BPI, Radbruch et al. 1999) erfasst. Dieses standardisierte Instrument ermöglicht die differenzierte Messung der Schmerzintensität auf einer numerischen Ratingskala von 0 (kein Schmerz) bis 10 (stärkster vorstellbarer Schmerz). Die Beschwerden der Teilnehmenden wurden retrospektiv für den Zeitraum vor der Pandemie Anfang 2020 (t0) sowie aktuell für die letzte Woche (t1) erfasst. Eine Zunahme der Beschwerden wurde als Anstieg und eine Abnahme als Verringerung des BPI-Scores um mindestens einen Punkt von t0 zu t1 definiert. Am häufigsten wurden Beschwerden im unteren Rücken und im Nacken berichtet. Die Prävalenz von Muskel-Skelett-Beschwerden stieg leicht für Schulter- und für Ellenbogenschmerz im Pandemieverlauf an, während sie im Bereich des unteren Rückens zurückging (Tabelle 1).
Obwohl die MSB-Prävalenzen, mit Ausnahme der Beschwerden im Bereich des unteren Rückens, insgesamt stabil erscheinen, zeigten sich auf individueller Ebene Veränderungen. Es kam sowohl zu neu auftretenden Schmerzen als auch zu einer Zunahme sowie zu einer Abnahme bestehender Schmerzen. Insgesamt berichteten 15 Prozent der Beschäftigten über neue Schmerzen und 19 Prozent über eine Schmerzzunahme in mindestens einer der untersuchten Körperregionen seit Beginn der Pandemie. In der Regel traten neue oder stärker werdende Schmerzen in einer oder wenigen aber nicht in allen Körperregionen auf. Am häufigsten zeigten sich neue Schmerzen im Bereich des Nackens und der Schultern. Schmerzzunahmen wurden am häufigsten im Nacken und im unteren Rücken angegeben (Abbildung 2). Im Zeitverlauf nahm auf individueller Ebene am häufigsten die Schmerzintensität im unteren Rücken ab (20%). In den übrigen Körperregionen wurden häufiger Schmerzzunahmen als -abnahmen beobachtet.
Tendenziell führte mobiles Arbeiten im Vergleich zur Büroarbeit zu stärkeren Muskel-Skelett-Beschwerden in den untersuchten Körperregionen. So wiesen Beschäftigte mit mobiler Arbeit im Vergleich zu Beschäftigten, die im Büro arbeiten ein höheres Risiko für neue Schmerzen im unteren Rücken und für eine Zunahme von Nackenschmerzen auf.
Unter den Beschäftigten mit Homeoffice-Tätigkeit hatte die ergonomische Ausstattung des mobilen Arbeitsplatzes einen negativen Einfluss auf die Muskel-Skelett-Beschwerden. Beschäftigte mit einer schlechteren ergonomischen Ausstattung hatten im Vergleich zu jenen mit guter oder optimaler Ausstattung eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, neue Schmerzen im Nacken oder oberen Rücken zu entwickeln. Das Fehlen von zusätzlichem technischem Equipment – wie einem externen Monitor, Tastatur und/oder Computermaus – erhöhte ebenso insbesondere das Risiko für Schmerzen im Nacken und oberen Rücken. Ohne diese Ausstattungen verdoppelte sich auch das Risiko für eine Zunahme von lumbalen Rückenschmerzen, insbesondere bei Personen mit höherem Body-Mass-Index.
Die Nutzung von Smartphones für berufliche Aufgaben zusätzlich zu Telefonaten war ebenfalls mit einem höheren Risiko für Muskel-Skelett-Beschwerden verbunden. Längere tägliche Bildschirmarbeit oder keine regelmäßige Teilnahme an der Angebotsvorsorge waren zusätzliche berufliche Risikofaktoren.
Die Ergebnisse sind in einer aktuellen internationalen Publikation ausführlich dargestellt (Casjens et al. 2025). Sie sind Teil einer umfassenden Studie, die neben Muskel-Skelett-Beschwerden zusätzlich Augenbeschwerden bei der Bildschirmarbeit untersucht. Weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung.
Diese Studie zeigt, dass längere Bildschirmarbeitszeiten und eine unzureichende Ausstattung im Homeoffice hinsichtlich Sitzmöbel, Schreibtisch und technischer Geräte berufliche Risikofaktoren für Muskel-Skelett-Beschwerden sind. Um solche zu vermeiden, sollten Arbeitgebende, Beschäftigte für die Bedeutung der richtigen Einrichtung des Bildschirmarbeitsplatzes sensibilisieren. Sie sollten sicherstellen, dass alle Beschäftigten über das notwendige Wissen verfügen, um eigenständig eine optimale Position für Bildschirm, Stuhl und Schreibtisch einzurichten. Die Arbeit mit einem Smartphone oder Touchpad sollte zugunsten eines vollständig ausgestatteten Arbeitsplatzes vermieden werden. Die Förderung einer regelmäßigen Teilnahme an geeigneter arbeitsmedizinischer Vorsorge könnte zudem helfen, das Risiko für Muskel-Skelett-Beschwerden zu senken.
Prof. Dr. Thomas Behrens
Dr. Swaantje Casjens
Dr. Ingolf Hosbach
Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA)
Prof. Dr. Rolf Ellegast
Dr. Stephanie Griemsmann
Dr. Britta Weber
Dr. Konstantin Wechsler
Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA)
Das Projekt wurde von folgenden Vertreterinnen und Vertretern der Unfallversicherungsträger und der DGUV begleitet (alphabethische Reihenfolge):
Catrin Braun, BGHM
Dr. Claudia Clarenbach, BGHM
Olaf Krause, VBG
Dr. Birger Neubauer, VBG
Dr. Jens Petersen, VBG
Dr. Jörg Rissler, IFA
Casjens S, Griemsmann S, Hosbach I, Wechsler K, Weber B, Clarenbach C, Petersen J, Neubauer B, Ellegast R, Behrens T. Changes in musculoskeletal pain among computer workers when working from home. J Occup Environ Med. 2025; 67: 363-370. DOI: 10.1097/JOM.0000000000003337.
DGUV Information 215-410, Bildschirm- und Büroarbeitsplätze - Leitfaden für die Gestaltung, https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/409
Hong QN, Li J, Kersalé M, Dieterlen E, Mares A, Sangkar ZA, Paquet V, Lederer V, Laberge M, Coutu M‑F. Work Disability and Musculoskeletal Disorders Among Teleworkers: A Scoping Review. J Occup Rehabil. 2025; 35: 17-29. DOI 10.1007/s10926-024-10184-0.
Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) 2022. Check-up Homeoffice. https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/4018
Radbruch L, Loick G, Kiencke P, Lindena G, Sabatowski R, Grond S, Lehmann KA, Cleeland CS. Validation of the German Version of the Brief Pain Inventory. J Pain Symptom Management. 1999; 18: 180–187. DOI 10.1016/s0885-3924(99)00064-0.
Wechsler K, Griemsmann S, Weber B, Ellegast R. The impact of remote work using mobile information and communication technologies on physical health: a systematic review. Ergonomics. 2024; 67: 1338-1355. DOI: 10.1080/00140139.2024.2304582